Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm
in allen Landen herrlich ist.
Zeig uns durch deine Passion,
daß du, der wahre Gottessohn,
zu aller Zeit, auch in der größten Niedrigkeit,
verherrlicht worden bist.
So beginnt der Eingangschor dieses wunderbaren Meisterwerkes der Musikgeschichte, das am 25. März in unserer Kirche durch das Collegium Vocale und der Gesangklasse der Musikschule aufgeführt wurde.
Wie kann man eine Passion, also einen Leidensweg damit beginnen, die Herrlichkeit Gottes zu besingen?
Was bringt Bach dazu, seine Eingangschor nicht im Stil eines Requiems zu belassen, also in den schweren tiefen Akkorden, mit verhaltener Melodieführung, gewissermaßen als Vertonung der schwarzen Farbtöne, die an Karfreitag üblich sind? Stattdessen setzt er Koloratoren dazu, rahmt die Trauer sozusagen in glanzvolles Gold.
Herrlichkeit, auch in der größten Niedrigkeit. Das ist der goldene Farbton, den Bach seiner Johannespassion beimischt.
Und er trifft damit genau den Ton des Johannesevangeliums. Denn dieses vierte Evangelium ist ganz anders als die ersten drei Evangelium, als Matthäus, Markus und Lukas. Bei Johannes erscheint Christus schon zu Lebzeiten im Osterlicht. Er ist der Auferstandene, der ewige Sohn Gottes, der Herrscher des Himmels und der Erde.
Deshalb ist in Reden und Taten von Jesus immer alles klar, nichts wird verborgen, nichts wartet darauf, bis es dann mal durch die Auferstehung gedeutet werden kann – so wie die anderen drei Evangelien von Jesus berichten, der dort zunächst als Wanderprediger auftritt und nach und nach erst das eigentliche Geheimnis seiner Person preisgibt – bis er schließlich auf einem Berg „verklärt“ wird, wie es dort heißt. Und zumindest drei von seinen Jüngern blitzartig den Glanz Gottes erkennen, der ihn umgibt. Aber dieses Licht der Verklärung verlöscht dann wieder. Jesus ist dann wieder verborgen und damit verwechselbar – als ganz normaler Mensch, bzw als Prophet oder als Mann Gottes, der nicht von allen erkannt wird und deshalb hingerichtet wird.
Im Johannesevangelium begegnet einem die Herrlichkeit und Klarheit des Auferstandenen, von Anfang an. Er ist der Logos, das „Wort Gottes“, das Mensch wurde und „unter uns wohnte“, wie es gleich zu Beginn heißt. „Und wir sahen seine Herrlichkeit“ – nämlich die Herrlichkeit Gottes.
Das gilt auch für die Passion Jesu. Wie in den orthodoxen Ikonen ist dort Jesus am Kreuz mit dem Nimbus, dem goldenen Strahlenkranz von Gottes Herrlichkeit, umgehen. Deshalb schreit er am Ende auch nicht in die Dunkelheit hinein „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, sondern er sagt „Es ist vollbracht!“. Weil Johannes ihn durchgängig im Licht der Auferstehung, also des schon vollbrachten Sieges über den Tod darstellt.
Johann Sebastian Bach hat das auf geniale Weise umgesetzt. Seine Johannespassion ist eine Vertonung des Leidens Gottes – nicht nur des Leidens eines frommen Menschen. Der ewige Gottessohn geht ans Kreuz. Damit sein Tod unsere Rettung wird.
Deshalb sollten wir Bachs Musik ganz im Sinne des Evangelisten Johannes zu hören: Soli Deo Gloria. Zur Ehre Gottes.
Peter Rostan
Einen sehr lesenswerten Bericht zu der Aufführung unter Leitung von Gerald Pommranz finden Sie hier: GEA 2018 03 27