Diesmal durfte ausnahmsweise die Chefin persönlich auf der gelben Ehrenbank Platz nehmen. Miriam Leibßle wurde nach inzwischen 13 Dienstjahren aus dem Kindergarten verabschiedet. Schon das Vorpraktikum hatte sie dort im Kindergartenjahr 2000/01 absolviert. Nach erfolgreicher Ausbildung wurde sie zunächst Gruppenleiterin, später übernahm sie die Gesamtleitung des Hauses in der Roßbergstraße.
Entsprechend groß wurde sie nun gefeiert. Der Elternbeirat fand warmherzige, dankbare Worte und überreichte eine liebevoll gestaltete Decke. Die Kinder legten jede Menge kleiner Geschenke in eine Schatzkiste. Als die Mädels und Jungs dann auch noch ein Segenslied anstimmten, bekamen gleich mehrere Erwachsene vor Rührung feuchte Augen….
Heute spreche ich Sie ausnahmsweise mit Ihrem Vornamen an: Miriam.
Denn dieser Name steht für eine bemerkenswerte Frau aus der Bibel, mit der Sie manches gemeinsam haben.
Miriam war die ältere Schwester von Mose. Zwei Ereignisse sind von ihr überliefert:
Als Kind begleitete sie den Binsenkorb ihres Bruders, der dem Nil übergeben wurde, weil sich die Mutter nicht mehr anders zu helfen wusste. Schließlich hatte der Pharao den furchtbaren Befehl erteilt, alle männlichen Neugeborenen der Hebräer zu töten! Die junge Miriam versteckte sich am Nilufer und behielt ihren Bruder im Blick, der mit seinem Korb im Schilf. Eine ägyptische Prinzessin rettete das Baby, nannte es „Moses“ (ägyptisch für „Aus dem Wasser“) und nahm es zu sich. Nur, wer sollte den Säugling ernähren? Die mutige Miriam nutzte die Gunst des Augenblicks, sprang aus ihrem Versteck und vermittelte der Ägypterin eine Amme für das gerettete Kind: dessen eigene Mutter!
Wie die biblische Miriam sind Sie, Miriam Leibßle, ein mutiger, dynamischer Mensch, der sich um das Wohl von kleinen Kindern kümmert und alles dransetzt, sie mit dem zu versorgen, was sie brauchen: Schutz und Sicherheit, eine gute Versorgung und warmherzige Nähe.
Die zweite Miriam-Geschichte spielt Jahre später. Inzwischen wurde Mose, der ägyptische Prinz mit hebräischer Abstammung, zum Retter seines Volkes. Mit Gottes Hilfe führte er sie aus der Sklaverei in die Freiheit, mit einem wunderbaren Zug durchs Schilfmeer. Das Volk war außer Atem und zugleich im Freudentaumel über seine Rettung. Aber Miriam setzte in diesem Moment einen wichtigen Impuls: sie schlug mit einer Handpauke den Rhythmus und stimmte dazu ein Loblied an, das die Größe Gottes an, der sie alle gerettet hatte. Dieses Lied ist uralt. Heutige Bibelwissenschaftler gehen davon aus, dass dieses kurze Miriam-Lied literarisch der älteste Text der gesamten Bibel ist!
Sie, liebe Frau Leibßle, begleiten ihre Lieder zwar nicht mit der Handpauke, wohl aber ähnlich schwungvoll mit der Gitarre. Und sie verkörpern das Anliegen ihrer biblischen Namensschwester: durch fröhliche Loblieder die Lebensfreude mit der Freude an Gott zu verbinden. Ihm haben wir alles zu verdanken!
In der Bibel gibt es noch eine andere, wesentlich berühmtere Miriam. Denn dieser Name ist die hebräische Version von „Maria“, deren Name uns übers Neue Testament auf Griechisch überliefert wurde. Maria war die erste Christin. Denn sie war die erste, die Ja gesagt hat zum menschgewordenen Gottessohn. Sie hat ihn buchstäblich in sich aufgenommen. „Christus wohnt in uns“, nannte Paulus später das Christsein. Für welchen Menschen gilt das stärker als für Maria/Miriam?
Sie, liebe Miriam Leibßle, sind ebenfalls ein Mensch, in dem Jesus Christus wohnt. Und sie freuen sich daran, ihn zur Geltung zu bringen, indem sie Kindern von ihm erzählen. Von seinen Wundern und von seinen Worten. Und von der Rettung, die er an Karfreitag und Ostern für uns Menschen erwirkt hat.
Woher der Name Leibßle kommt, wird kaum zu klären sein. Für mich ist er eine Kurzform für das, was Sie sind: eine Erzieherin mit Leib und Seele.
Ganz herzlichen Dank für Ihre langjährige Arbeit in unserem Roßberg-Kindergarten, die nun leider ein Ende fand.
Gott segne Sie, zunächst in Neuseeland und dann später in den weiteren Aufgaben, die auf sie warten. Hoffentlich weiterhin als echte Miriam, die mit Leib und Seele Erzieherin ist.
Peter Rostan